In der Reihe: Der Osten – Entdecke wo du lebst!
Am äußersten Rand Deutschlands, umgeben von der Ostsee, liegt Peenemünde – die nördliche Spitze der Insel Usedom. Der Aufstieg und Untergang eines geheimen Militärkomplexes im Zweiten Weltkrieg hat sich hier tief in die Landschaft eingeschrieben und prägt diese bis heute. Eine Landschaft übersäht von Relikten der NS-Rüstungsindustrie, die nur langsam von der Natur zurück erobert wird.
Wo einst ein verschlafenes Fischerdorf liegt, bauen die Nationalsozialisten innerhalb weniger Jahre einen riesigen Militärkomplex. Mehr als 12.000 Menschen – darunter auch etwa 1.500 Zwangsarbeiter – leben zeitweise in der 25 km² großen “Heeresversuchsanstalt”, um im geheimen Raketen, sogenannte “Vergeltungswaffen” zu entwickeln und zu testen.
Die Alliierten enttarnen dieses Raketenforschungsgelände. Mehrere Luftangriffe folgen, bei denen 11.000 Sprengbomben sowie rund 93.000 Brandbomben über dem Landstrich niedergehen. Beim Folgenschwersten – der “Operation Hydra” – verlieren über 700 Menschen ihr Leben, die meisten von ihnen sind Zwangsarbeiter aus den Häftlingslagern Trassenheide I und Trassenheide II. Bis heute sind die Narben der Angriffe tief in die Landschaft eingeschrieben.
Dr. Philipp Aumann ist Kurator im Historisch-Technischen Museum Peenemünde. Das ehemalige Kraftwerk der “Heeresversuchsanstalt” ist heute das Herz einer weitläufigen Denkmal-Landschaft, die sich von hier aus über weite Teile der Insel spannt. Das einzige, vollständig erhaltene Gebäude aus dieser Zeit ist heute ein Museum. Für Philipp Aumann ist es ein Ort des Erinnerns.
Für Revier-Förster Uwe Wobser ist der Peenemünder Forst ein besonderer Arbeitsplatz, denn “sein” Wald ist zugleich Denkmal und Naturschutzgebiet. Der Waldboden, ein meterhohes Trümmerfeld, ist übersäht mit Ruinen und Relikten einer gigantischen NS-Rüstungsindustrie. Noch heute ist das ganze Peenemünder Revier so munitionsbelastet, das weite Teile Sperrgebiet sind.
Doch gerade diese Sperrung ist heute ein Glück für das Gelände – es hat sich so zu einem Refugium für seltene geschützte Tier- und Pflanzenarten entwickelt.
Die Naturschützer Anne Petzold und Dirk Karoske kümmern sich im Sperrgebiet um die mittlerweile zahlreichen Fledermausarten, die in den Bunkeranlagen ein schützendes Winterquartier haben. Sie kontrollieren den Gesundheitszustand der Tiere, sichern die Anlagen und installieren zusätzliche Hang- und Versteckmöglichkeiten.
Und auch immer mehr Menschen kehren auf die Insel zurück. Naturschutzgebiet und Denkmallandschaft an einem Ort: Das zieht junge Menschen aus der ganzen Welt hierher. Jedes Jahr, während eines mehrwöchigen Sommercamps, leben und arbeiten Studenten freiwillig und unentgeltlich in dieser zwiegespaltenen Landschaft.
„Für mich ist es sehr interessant über die Geschichte genau dort etwas zu lernen, wo sie stattfand. Und wenn du hier bist, dann ist das etwas komplett anderes, als wenn du es nur auf Wikipedia liest. Außerdem liebe ich es auch in der Natur zu sein. Diese Gegend hier ist perfekt dafür.“ Milica Grujic, Studentin, Serbien
Kein Baum, kein Gras soll hier über die Geschichte wachsen. Für Milica aus Serbien, Kateřina aus Tschechien und die anderen Studenten ein wichtiges Anliegen.