Die Versteigerer
Profiteure des Holocaust
Neue Aktenfunde machen es möglich, das schrecklichste Kapitel der deutschen Geschichte aus einer vollkommen neuen Perspektive zu erzählen. Akribisch hat der Versteigerer Hans Klemm in Leipzig jeden Verkauf ehemals jüdischen Eigentums zwischen 1933 und 1944 dokumentiert. In unzähligen Listen sind die von den ausreisenden und deportierten Juden zurückgelassenen Gegenstände erfasst: Betten und Schränke, Tische und Stühle, Bettwäsche, Kleidung, Musikinstrumente und Spielzeug. Jeder Gegenstand wird geschätzt und versteigert. Als Auftraggeber fungiert die Geheime Staatspolizei oder die Oberfinanzdirektion, die das Geld zugunsten der Reichskasse einzieht. Doch auch der Versteigerer selbst erzielt gewaltige Gewinne. 10 Prozent des Versteigerungserlöses stehen ihm zu. Die Gewinne von Hans Klemm steigen in der NS-Zeit von etwa 10.000 auf über 100.000 Reichsmark pro Jahr.
Die Aktenfunde rund um den Leipziger Versteigerer Klemm waren für die beiden Filmemacher Jan N. Lorenzen und Michael Schönherr der Anlass, sich auf eine Reise durch Deutschland zu begeben. In mühseliger und penibler Recherche haben sie festgestellt: Überall, in jeder Stadt und in jedem kleinen Dorf, in dem Juden gelebt haben, sind deren Habseligkeiten meist unmittelbar nach deren Deportation unter den Hammer gekommen: Im mecklenburgischen Stavenhagen kümmert sich der Bürgermeister persönlich um den Verkauf der Hühner und Kaninchen des „Juden Jacobssohn.“ In Schwerin leuchtet Elektromeister Max Kuhlmann den Verkaufsraum aus. In Lörrach bannt ein Polizeifotograf auf Zelluloid, wie eine Art Schlußverkaufsstimmung entsteht, als die Gegenstände und Möbel der deportierten Juden direkt vor Ort in den Innenhöfen der Häuser versteigert werden. Und in Düsseldorf freut sich die Stadtverwaltung, dass mit dem „frei werden“ der jüdischen Wohnungen nunmehr bombengeschädigten „Volksgenossen“ ein Ersatz für die verbrannten Sachen geboten werden kann. Mit der Verschärfung des Bombenkrieges steigt der Bedarf an Möbeln dann ins Unermessliche. Die Möbel der deutschen Juden reichen nicht mehr aus. Ab 1942 werden auch die Wohnungen der französischen und holländischen Juden geplündert, die Möbel von Spediteuren nach Deutschland gebracht: Im niedersächsischen Delmenhorst müssen extra Arbeitskräfte angeworben werden, um den Verkauf zu bewältigen. Unzählige Zeitungsannoncen künden deutschlandweit von dem makaberen Geschäft. Deutlich wird: geheim sind die Vorgänge nicht. Oft werben die Anzeigen offen mit „Judensachen“, oder Möbeln aus „nichtarischem Besitz“. Jeder, der kaufte, wusste, die Deportierten kommen nicht zurück!
Die Filmemacher haben unveröffentlichtes Filmmaterial gefunden und mit Zeitzeugen gesprochen, die, die in ihren Kellern Möbel oder andere Gegenstände aus ehemals jüdischem Besitz bewahren. Auf der Basis dieser Recherche erzählen sie die makabere Geschichte der „Judenmöbel“: Wer hat sie bekommen? Wer hat sich an ihnen bereichert? Und wo befinden sich die Gegenstände jetzt?
Sendetermine
- 29.10.2018, 23:30 Uhr - Das Erste
- 13.11.2018, 22:05 Uhr - MDR Fernsehen
Crew
Regie Jan N. Lorenzen
Buch Jan N. Lorenzen Michael Schönherr
Kamera Stefan Wachner Markus Stein Daniel Liepke
Ton Anabelle Powilleit Ulrich Menges Daniel Liepke Johannes Schneeweiß
Schnitt Dirk Schreier
Schnittassistenz Philipp Kieseier
Produktion
Produktionsleitung Jana Früh Frank Seidel (MDR)
Redaktion Silke Heinz (MDR)
Produzent Olaf Jacobs